Soundcheck (1. Dezember 2025)
„Meine sehr verehrte Damen und Herren, diese Stimme ist ein Signal für unsere Techniker, um die Audioanlage präzise für Sie einzurichten“, ertönt es am Sendlinger Tor in München und kurz darauf folgt der gleiche Satz noch einmal. Und noch mal und noch mal. Ist das nervig! Eine Durchsage in Dauerschleife oder jemand, der zwar weiß, wie man den Knopf einschaltet – aber nicht wieder aus.Bin ich froh, als ich den Sendlinger-Tor-Platz per U-Bahn verlasse und mit unseren neuen Headsets zu Judith fahre, um sie an unserer Anlage zu testen. Wie lustig, dass gerade auf dem Weg zu unserem Mikrotest heute diese seltsame Durchsage kommt.
Eines unserer Headsets hat nach zehn Jahren keine Lust mehr mitzuspielen, und so musste ich ein neues System besorgen, mit den aktuell freien Frequenzen, damit einem niemand dazwischenfunkt. Das ist eine Wissenschaft für sich. Hoffentlich habe ich mir alles eingeprägt, was mir der Fachmann im Musikgeschäft lang und breit erklärt hat.
„Sind wir in der U3 oder U6?“, fragt ein Mann eine Frau und unterbricht meine Gedanken. „In der U 3“, sagt die Frau. Ich lese meine Notizen durch: „Erst freq auto run. Wichtig: Empfänger ausgeschaltet. Dann Empfänger anschalten und ans Infrarot-Auge und auf sync übertragen drücken, um die Frequenz zu synchronisieren. Bei Rückkopplung ‚gain‘ runterstellen.“ Puh, denke ich. Schon kompliziert. Und dann: Wird schon klappen. Mit diesem Gedanken muntere ich mich selbst auf.
Der Mann, der nicht wußte, ob wir in der U3 oder U6 sind, hastet plötzlich an mir vorbei und fragt eine zweite Frau: „Sind wir in der U3 oder U6?“ Das hat er doch gerade schon mal gefragt! Oder ist das jetzt der neue Anmachspruch? Oder ein Stimm-Soundcheck bei Frauen, die sein Typ sind? Die Frau friemelt genervt die Stöpsel aus ihren mit Ohrringen behangenen Ohren und antwortet knapp: „U3!“ Der Mann lässt nicht locker: „Und wo SEHEN Sie jetzt, dass wir in der U3 sind?“
Hä? War das jetzt auch noch ein Sehtest? Die Frau sagt: „Steht draußen an jeder Anzeige.“ Aber der Mann hängt an ihren vollen Lippen und sagt: „Aber hier drinnen steht es nicht.“ Mir scheint, er will den Soundcheck mit der attraktiven Frau noch in die Länge ziehen. „Ne, hier drinnen steht es nicht. Sie müssen draußen schauen!“, antwortet die Frau mit genervter Stimme, friemelt die Stöpsel zurück in ihre Ohren und gibt so zu verstehen, dass die Fragestunde jetzt vorbei ist. Der Mann klappt seinen Mund zu, und ich steige aus.
Wir machen bei Judith den Soundcheck. Es funktioniert nach ein paar Anlaufschwierigkeiten. Check. Am Freitag werden wir dann die Audioanlage präzise einrichten. Wichtigtuerisch werde ich beim Soundcheck die Aula beschallen: „Meine sehr verehrte Damen und Herren, diese Stimme ist ein Signal für unsere Techniker – die wir selbst sind – um die Audioanlage präzise für Sie einzurichten.“
Auf dem Rückweg treffe ich zwei jugendliche Mädchen. Eines der Mädchen fragt ihre Freundin: „Was ist sieben mal sieben?“
Sie überlegt: „O Mann, warte, muss rechnen … 7, 14, 21, 27, nee, 28, 35, 42, 47, nee, 48 … Moment. Ich hasse Mathe! Warte! Sieben mal sieben ist …“ Sie überlegt eine Weile, die andere kichert. „49“, verkündet sie stolz ihr Rechenergebnis.
„Nee, Mann, sieben Mal sieben ist feiner Sand!“, antwortet die andere und lacht.
„Hä? Checke ich nicht. Wieso denn Sand?“
„Ja, weißt du, wegen ‚sieben‘!“
Als Antwort erhält sie einen verständnislosen Blick.
„Hä? Sieben? Ich kenne schon die Zahl sieben. Aber warum Sand?“
„Ja, wegen Sandsieben und so, checkst du? Sieben mal sieben ist feiner Sand.“
„Check ich nicht, egal! Mathe ist nicht so meins. Erklär’s mir wann anders.“
„Wieso checkst du das nicht? Ist doch kein Mathe, is’n Joke, Mann! Aber egal: Wir verstehen uns trotzdem.“
Und die beiden Freundinnen ziehen Arm in Arm von dannen.
Ich muss lachen. Manche verstehen sich, ohne sich zu verstehen. Andere tun so, als würden sie nichts verstehen. Wieder andere verstehen sich nicht, obwohl sie sich akustisch verstehen. Manche wollen sich nicht verstehen, und andere können nicht verstehen. Irgendwie lustig und auch eine Art Soundcheck – jeden Tag, überall, wo Menschen sind.



