Glosse für Augsburg - ohne Bezahlschranke (23. November 2025)

In Augsburg im November haben viele in der Stadt schlechte Laune. Der Staatstheaterintendant ist zornig auf den Verein „Theaterviertel Jetzt!“, weil die jetzt nicht mehr genauso hinter der Staatstheaterfinanzierung stehen wie sie es neulich noch behauptet haben. Von einer „Art der Kriegsführung“ spricht er gar, und der Umgang schade dem Theater und allen anderen Kulturinstitutionen! Bin ich froh, dass ich keine Institution, sondern freie Künstlerin bin. Und man kann den Zorn ja verstehen, wenn einer gehofft hat, Gleichgesinnte gefunden zu haben, die vermeintlich genauso wie er selbst von einem Theaterviertel träumen, aber plötzlich doch lieber rumnörgeln wollen, um für den Wahlkampf zu punkten. „Generation Aux“ will wahrscheinlich noch eine Runde. Eigentlich etwas vermessen, sich „Generation“ zu nennen, aber immerhin nicht ganz so düster wie die „letzte Generation“, die sich an die Straßen klebt. Da klebte sich der eine gewählte Stadtrat lieber an die Regierung. Nach der Wahl.

Aber nun ist bekanntlich vor der Wahl: Wahrscheinlich hat „Generation Aux“ gemerkt, dass ein paar der Bürger und Bürgerinnen halt doch recht sauer sind – auf die teure Sanierung des alten Hauses, das Millionen verschlingt, geradezu gierig verschluckt in der Baugrube der armen Stadt. Aber die Regierung hat damals entschieden und regiert ja auch heute noch und will Augsburg eben – koste es was es wolle – zu einer Weltstadt umkrempeln. Deshalb wird seit Jahren gebuddelt und gegraben für das eine, alles andere in den Schatten stellende Bauwerk, zu dem Gott und die Welt anreisen werden! Die Sanierung wurde von einem Architekten teuer begonnen und von einem zweiten vielleicht eines Tages teuer zu Ende gebaut.

Nur, so ganz haut das wohl nicht hin mit der Fassade der Weltstadt, mit dem großen Tamtam und dem noch großartigeren Theater. Die Fassade bröckelt bereits, ohne gebaut worden zu sein, und deshalb ändert man beim Verein „Theaterviertel Jetzt“ über Nacht die Strategie und äußert bei der Zeitung (die im Stiftungsrat des Staatstheaters steckt) den Ton: Der wird kritischer. Es laufe bei der Sanierung nicht alles so rund, man müsse nicht immer so tun als ob, und die Toiletten an den Schulen müssten halt schon auch saniert werden.

Das ist ja mal eine echt neue Erkenntnis, denke ich mir. Man hätte auch vor der Sanierung an andere denken können, aber was wurden da die Kritiker und Kritikerinnen beschimpft, was ihnen einfällt, kritisch zu denken! Es sei schließlich nicht ihre Aufgabe, ein Leuchtturmprojekt mit weltweiter Strahlkraft gänzlich in Frage zu stellen! Und sooo viel teurer werde es schon nicht werden – wegen dem berühmten Kostendeckel! Auch große Teile der jetzigen Opposition waren damals in der Regierung, und was soll man sagen: Satz mit X, das mit dem Kostendeckel war wohl nix! Es ist teurer geworden: ein Fass ohne Boden. So hat halt jede Stadt ihren Berliner Flughafen, in angemessenem Umfang.

Und neulich hat wohl jemand von „Theaterviertel Jetzt“ in eine Schule geschaut und musste dringend aufs Klo! Aufs Dach der Schule gestiegen ist er wahrscheinlich nicht, weil die Dächer sind ja auch häufig kaputt. Aber nachdem vor einiger Zeit ein paar Eltern eigenständig die Schulklos repariert haben, weil ihre Kinder es nicht mehr aushielten, ist es halt medienwirksamer, das mit den Klos zu thematisieren.

Nur der Bildungsbürger regt sich auf: Klos und Theater – das könne man doch nicht vergleichen, das seien zwei Paar Stiefel oder zwei Paar Geldetats! Das eine Geld fließt schließlich ohne Kostendeckel in die hochtrabende Hochkultur, das andere ohne Klodeckel in die niedere Hockkultur. Das eine nach oben, das andere versickert im Untergrund! Und damit hat die hochsubventionierte Hochkultur freilich nichts am Hut, bekommt sie doch den Löwenanteil vom Kulturetat auch ohne Baustelle!

Für die Kinder ist das allerdings schon echt kacke – so mit kaputten, stinkenden Klos! Ups, sorry – Themaverfehlung, ich Kulturbanause! Um die Generation Kinder geht’s dabei ja gar nicht, sondern um das Theater für die Generation jetzt! Nur zahlen sollen die kommenden Generationen. Für die hochangesehene Politik und das hochangesehene Theater. Beide nehmen sich selbst sehr ernst und schweben nahezu über den Dingen, und da droben wollen sie nichts mit Kritik oder Klos zu tun haben!

Aber der Unmut wächst, die Nerven liegen blank – es ist ja überall kein Geld da: also außer für die Sanierung und für die neue städtische PR-Stelle für die Sanierung! Kein Witz. Es zählt nicht die Arbeit, sondern das Image der Beton-Erbe-Stadt. Und so zeigt sich derzeit eine gesamte Blase von einer sehr amüsanten Seite, zumindest für Theaterfreunde und -freundinnen des absurden Humors, die gerne hinter Fassaden schauen. Trotz zukünftiger transparenter Fassade des Staatstheaters, die Bürgernähe verspricht und in die offene Stadtgesellschaft strahlen möchte, scheint mir, dass aktuell die Zeiten des Fassadenlächelns vorbei sind. Jetzt kommt die ungeschminkte Wirklichkeit ans Licht: Von der Partyblase des Theaterviertelfestes ist wenig übrig, ist ja auch kalt und grau draußen, und so richtig rund läuft es halt einfach nicht mit dem neuen Quartier, wo sich alles nur um ein schillerndes Theater dreht und um Party, wo alle mitmachen dürfen! Yeah. Mega. Nice. Hip. Schön. Bunt. Für alle was dabei. Hände hoch und her mit eurem Steuergeld, ihr schnuckeligen Partyhengste und Theatermäuse! Prost!

Und selbstverständlich ist es nur dem Staatstheater einzig und alleine vergönnt, das eigene Viertel selbstlos und zeitgemäß „Theaterviertel“ zu nennen. Nur ist es halt nüchtern betrachtet: ein Theaterviertel ohne Theater! Das ist irgendwie auch wie eine Schule ohne Klo. Vielleicht regen sich deshalb alle so auf … Und es kann ja jeder sehen, dass da seit vielen Jahren noch gar kein Theater, sondern eine Baustelle steht! Aber jetzt eine mit neuer PR-Stelle! Getreu dem Motto der Staatstheaterspielzeit: (aber)witzig!

Ich bin mir jedoch sicher, im Dezember haben alle wieder bessere Laune, denn bald ist das ganze Theater Schnee von gestern und alle liegen sich wieder in den Armen, weil dann ist nämlich: Weihnachten! Und zu Hause haben hoffentlich alle funktionierende Toiletten und ihr persönliches Familientheater: ganz gratis!

 
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