Was geht und was bleibt (10. November 2025)

Auf dem Weg zur Probe wollte ich einer Kundin von unterwegs schreiben, dass ich mich nächste Woche um die Hotels kümmere, weil ich diese Woche auf Tour bin. Und was macht die Autokorrektur draus? „Ich kümmere mich nächste Woche um die Hotels, weil ich diese Woche tot bin.“ Zum Glück habe ich es vor dem Abschicken noch gemerkt. Zum Totlachen!

Später laufe ich auf dem engen Bürgersteig einem fröhlichen Pärchen entgegen, das Arm in Arm geht. Wir versuchen einander mehrmals spiegelbildlich auszuweichen, dann bleiben wir stehen und müssen lachen. Danach gelingt es uns, aneinander vorbei zu kommen. Sonst wären wir in einer Endlosspirale gefangen geblieben und nie vom Fleck gekommen! Wir wünschen uns einen schönen Tag und gehen unseren Weg weiter.

Ich denke an eine Übung, die wir in der Clownsausbildung mal gemacht haben. Wir spielten im Wechsel Menschen, die anderen ausweichen, und Menschen, die zielstrebig und raumeinnehmend ihren Weg gehen. Die Lehrerin erzählte uns von einem Selbstversuch: Sie hatte sich mit Hilfe einer Maskenbildnerin in einen Mann verwandelt, lief dann in der Stadt herum und war überrascht, wie viele Frauen ihr als „Mann“ ausgewichen sind. Sogar eine Frau mit ganz viel schwerem Gepäck hat ihr Platz gemacht. Sie fand das eine interessante Erfahrung. Kann man natürlich nicht verallgemeinern, aber dennoch eine spannende Beobachtung. Ich nehme so etwas gelegentlich auch wahr.

Eine weitere Frau hat mir von einem anderen Experiment erzählt. Ich gab einige Workshops und Auftritte in einer Einrichtung für Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen. Die Leiterin dort, mit der ich mich sehr gut verstand, hat sich mal für ein Theaterprojekt in eine Obdachlose verwandelt und saß auf der Straße. Die Passanten sind ihr ausgewichen und haben sogar manchmal die Straßenseite gewechselt, wenn sie sie nur aus der Ferne sahen, oder einen großen Bögen um sie gemacht, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Was alleine die Kleidung ausmacht und der Platz, wo man sitzt!

Nach diesen Gedanken probe ich eine Runde das Stück „Die Reise ins Schneeland“. Es ist ganz schön eng mit all den vielen Sachen aus unterschiedlichen Stücken, die ich zur Seite schieben muss, aber für einen Durchlauf reicht es. Immer wenn ich auf einer Bühne spiele, freue ich mich, Platz zu haben. Es ist ja so eine Sache mit dem Platz. Manche haben viel, andere haben wenig. Global betrachtet habe ich sicher nicht wenig und sogar fließendes Wasser im Lager, was manche Menschen nicht mal in ihren Wohnungen haben oder in ihren Hütten.

Danach lese ich noch unser Skript zu „Alle Kinder haben Recht(e)“, einem Theaterstück zum Thema Träume und Kinderrechte, das wir diese Woche in einer alten Kaserne spielen. Ein Kulturzentrum ist wohl das beste, was man aus einer Kaserne machen kann …

In dem Stück bin ich als Glucks sehr traurig, weil ich im Fernsehen gesehen habe, dass es Kinder gibt, die anstatt spielen zu können hart arbeiten müssen. Danach kann ich vor Schreck nicht schlafen. Als ich dennoch einschlafe, begegnet mir die geheimnisvolle Traumfängerin. Wir erleben viele spannende Sachen, und am Ende wird alles gut. Zumindest in unserer Vorstellung …

Nachdem ich den Text gelesen habe, denke ich daran, wie viele Kinder weltweit an Hunger sterben. Der Gedanke macht mich traurig. Einigen und viel zu vielen Menschen ist es wichtiger, Geld in Waffen zu investieren, als den weltweiten Hunger zu besiegen. Für das eine ist endlos Geld vorhanden, für das andere nicht. Ich kann nur erneut dazu sagen: Das ist nicht die Welt, in der ich leben will. In meiner Welt geht es um das Leben. Um ein glückliches Leben! Für alle. Das fängt bei den Kleinsten an.

Vieles ändert sich ja im Laufe des Lebens, aber diese Einstellung ändert sich bei mir nie. Sie war schon immer so. Und wenn ich diese Woche nicht gestorben bin, denke ich nächste Woche noch genau gleich darüber.

 
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