Langer Tag (11. Oktober 2025)

Gestern lag ein langer Tag vor mir. Am Nachmittag stand ein Auftritt beim Festival für Kinder-und Jugendtheater in der Oberpfalz an. Treffpunkt war aber erst mal bei Judith in München, um die Sachen zu laden. Ich lief zur morgendlichen Entspannung durch den Park zum Augsburger Bahnhof. Aber das Vogelzwitschern wurde durch einen Laubbläser gnadenlos übertönt. So laut habe ich selten eines dieser Dinger erlebt. Wahrscheinlich das neuste Modell. Mit wichtiger Miene stampfte ein Mann im orangenen Overall breitbeinig durch den Park und bekämpfte ohrenbetäubend die friedliche Stimmung. Er blies die herbstlichen Blätter auf die Seite des Weges. Wahrscheinlich eine Art Beschäftigungstherapie, denn beim nächsten Wind landen die Blätter ja doch wieder da, wo sie Lust zu landen haben.

Vielleicht hat aber auch ein Blatt ausgesehen wie eine Drohne und Panik in der Stadt und dann im ganzen Land ausgelöst! Ab sofort gibt es den Laubbläserpflichtdienst von acht bis achtzig Jahren. Kampagnen werden geschaltet. Mit gehörig viel Lärm und Brimborium selbstverständlich, damit alle Leute die „drohende Gefahr“ mitkriegen, ob sie nun was damit zu tun haben wollen oder nicht.

Und was macht Karlsson vom Dach, der Mann in den besten Jahren? Der ist bestimmt schon lange ausgewandert. In ein Land der Fantasie.

Dahin brachte mich der Zug allerdings nicht. Ärgerliche Leute stiegen ein, weil der vorherige Zug ausgefallen war und sie eine halbe Stunde in der Kälte warten mussten. Dann nur ein Zugteil. Zu wenig Plätze. Die Zugbegleiter bemühten sich und mussten sich den Ärger der Leute anhören. „Ich verstehe Sie, uns geht das nicht anders, wir kriegen die Informationen auch immer viel zu spät!“ Sie gaben die erste Klasse frei. Der Platz reichte trotzdem nicht. „Bitte den Hintern einziehen, damit wir die Tür schließen können!“, hieß es bei jeder Haltestelle. Hätte mich nicht gewundert, wenn man hinzugefügt hätte: „Und den Gürtel enger schnallen!“ Bei den nächsten Bahnhöfen passten die Leute nicht mehr rein. Sie probierten es mit allen Mitteln. „Ich muss meinen Anschluss erwischen“ Können Sie bitte noch rutschen?“ Ein paar rückten enger zusammen. Ich betrachtete die neblige Landschaft.

Bei Judith angekommen, luden wir die Sachen ein und reisten mit dem Auto nach Roding in die Oberpfalz. Irgendwann am herbstlichen bayerischen Wald vorbei. Schön sah das aus. Im Theater wurden wir herzlich empfangen. Wir packten aus, schauten noch ein Stück von Kolleginnen und einem Musiker an und bauten danach auf.

Vor dem Auftritt hielten wir uns hinter der Bühne auf und hörten den Ansprachen zu. Die Bürgermeisterin sprach über das Festival und begann dann unser Stück vorzustellen. Sie würde doch nicht den ganzen Programmtext verlesen und die gesamte Handlung verraten? Hinter den Kulissen schauten wir uns besorgt an. Doch, anscheinend hatte sie genau das vor: Sie begann den Ankündigungstext vorzutragen, mit einem großen Teil der Geschichte, die wir gleich spielen würden. Ich dachte: Was machen wir denn jetzt? Sie kann doch nicht alle unsere Stationen verraten, die ganze Reise, die die Kinder gleich sehen! Sie sollen doch nicht vorher schon alles wissen! Da platzte es aus Oma heraus, unsichtbar hinter der Bühne: „Was noch alles passiert, erfahren wir dann besser alle gleich live in der Geschichte!“„Ja“, sagte die Bürgermeisterin. Wir schauten uns erleichtert an und waren froh, dass sie aufhörte, unser gesamtes Programm zu verraten.

Die Vorstellung begann. Ich stürmte auf die Bühne. Oma kam dazu. Wir spielten. Es war eine schöne Vorstellung. Vor allem die Erwachsenen waren sehr konzentriert, und die Kinder freuten sich auch. Nur zwei Jungs waren von den vielen Kissen am Boden abgelenkt und wollten zwischendrin lieber eine Kissenschlacht machen. Die Mutter hielt sie kurz davon ab, widmete sich dann aber wieder ihrem Baby. Und die Buben sich den Kissen. Wir ließen uns nicht ablenken und spielten unsere Geschichte. Die meisten im Publikum waren voll dabei. Am Ende kam noch eine der netten Organisatorinnen auf die Bühne und bedankte sich bei uns und bei allen, die mitgeholfen hatten, das Festival auf die Beine zu stellen, das am nächsten Tag noch mit vielen Programmpunkten weitergehen würde. Und wir bedankten uns auch.

Was für ein schönes Festival mit einem ganz besonderen Organisatorinnen-Team! Kultur zu den Menschen bringen ist einfach schön. Ein Vater kam zu uns und wollte mit seiner Tochter ein Foto machen. Er sagte: „Es ist so wertvoll, was sie machen, gerade in dieser Zeit.“ „Danke“, sagten wir. „Wie schön, dass Sie da waren!“

Und nach einer langen Rückfahrt mit Auto und später mit der Bahn fiel ich kurz nach Mitternacht erschöpft in meine Kissen und in einen tiefen Schlaf. Ein langer Tag lag hinter mir.

 
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