Klangwind (5. Oktober 2025)

Der Herbstwind gab mir einen Stoß und wehte mich sanft die letzten Meter in mein Requisitenlager. Ich sah von drinnen nach draußen und dachte, dass das Bäumchen vor meinem Lager nun schon fast so hoch wie die obere Kante meines Fensters war. Als ich mit meinen Requisiten einzog, war da nur ein kleiner Strauch gewesen. Ich hatte ihn zwar nicht gepflanzt, aber einfach wachsen lassen. Die Blätter raschelten, als der Wind sie berührte.

Draußen huschte ein Eichhörnchen mit einer Nuss vorbei und brachte sie vermutlich zu seinen anderen Vorräten für den Winter. Ich ging noch mal den Text für die heutige Aufführung „Glucks und der Klangsammler“ durch und freute mich schon beim Lesen aufs Spiel. Regen prasselte an die Scheiben.

Als Christian, der den berühmten Meister Kling spielt, mit dem Auto ankam, hatte der Regen aufgehört, und wir luden unsere Instrumente und Klangerzeuger in den Van. Es klingelte und schepperte dabei. Als alles geladen war, sausten wir ins Theater und packten alles wieder aus. Voll würde es heute werden. Nur noch wenige freie Plätze frei.

Das abraxas in Augsburg ist der einzige Ort, wo ich auf Eintrittsgeld spiele, und so wirken sich die Einnahmen direkt auf meinen finanziellen Wintervorrat aus. Sonst spiele ich nur gegen festes Honorar. Ich mag das abraxas, und ich mag auch an dem Ort spielen, wo ich wohne.

Als wir alles aufgebaut und uns aufgewärmt hatten, klopfte schon ein ungeduldiges Kind an die Tür. „Poch, poch“, hörten wir, öffneten die Tür aber noch nicht. Als kurze Zeit später der Einlass begann, versteckte ich mich in einer Kammer unter dem Publikumsbereich und hörte über meinem Kopf das Publikum zu seinen Plätzen trampeln. Ein Kind sagte: „Heute wird’s wieder lustig!“ und andere „Oh, das ist aber ein tolles Theater!“ und ein drittes Kind: „Wo gehöre ich hin?“

Als alle wussten, wo sie hingehören, erlosch das Saallicht, und geheimnisvolle Klänge ertönten hinter dem Vorhang, wo sich Meister Kling verbarg und in seiner Klangwerkstatt werkelte. Ein schöner Klangteppich breitete sich im Saal aus, in den ich aus meinem Versteck tanzend hineinplatzte. Meister Anton Kling schaute mit Schlafmütze durch den Vorhang, um zu sehen, wer ihn da bei seiner Arbeit störte. Blitzschnell zog er sich um und kam mit Hut und Frack hinter dem Vorhang heraus. Er verbeugte sich, sein Klanghut spielte dabei auf magische Weise eine Melodie, und unser gemeinsames Spiel begann. Ein Raunen ging durch den Raum, als Meister Kling endlich die geheime Klangwerkstatt öffnete, die „noch niemals jemals“ jemand gesehen hatte.

Das Publikum lachte und kicherte über unsere Wort- und Klangspiele – die Erwachsenen über den Wortwitz, die Kinder über die Körperkomik. Manchmal auch gemischt. Nach getaner Arbeit verabschiedete ich mich vom Publikum. „Tschüss, Glucks!“, riefen sie. Einige forsch, andere winkten noch ein wenig schüchtern auf den Armen ihrer Eltern.

Eine Mutter, die ich kannte, war mit zwei Kindern da. Waren sie nicht neulich noch kleine Babys gewesen? Nun waren sie zwar noch nicht ganz so groß wie das Bäumchen vor meinem Lager, aber das werden sie bestimmt bald sein. Mit Kindertheater aufzuwachsen ist doch eine schöne Sache, und gemeinsam lachen sowieso, ob mit oder ohne Theater. Bei uns kann man beides.

Jetzt bin ich wieder zu Hause, schreibe diese Zeilen und fühle mich glücklich. Und ich schicke allen, die das lesen, eine Prise Glück.

 
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