Clownfische und Angeberkrebse (6. Juni 2025)

Gestern bekam ich eine Mail von der Hasengruppe, dass ein Auftritt klappt. Wie schön! Sofort speicherte ich mir die Telefonnummer ein. Gleichzeitig ploppte mein Messengerdienst auf und meldete, dass „Waschmaschine“ nun „Telegram“ benutzt. Ha ha, ich hatte, als meine Waschmaschine kaputt war, mal einen Kontakt unter „Waschmaschine“ abgespeichert. Oder überschüttet mich meine Waschmaschine nun mit Chatnachrichten? „Heute passt es mir nicht so gut, wenn du dein Superheldenkostüm wäschst. Kam ganz schön ins Schleudern die letzten Tage. War mega viel los!“ und dann jede Menge Ping-Pong-Nachrichten, wann es stattdessen passt usw. Hinterher fühle ich mich ganz konfus und denke mir, in der Zeit des Schreibens hätte ich schon längst ein Kurzprogramm gemacht. Was sind das nur für weichgespülte Zeiten?
Dann rief ein unbekannter neunzehnjähriger Kollege an, der ein neues Portal an den Start bringen will, mit ganz viel Google-Werbung, und jeder Kunde kriegt drei Programme zur Auswahl und er eine entsprechende Provision, wenn’s klappt. Habe mir das eine Weile angehört, und als er mir das Stufenmodell erläuterte, das bei 250 Euro losgeht, habe ich gesagt, dass es schlau wäre, dann wenigstens mit 310 Euro zu starten, also bei der Empfehlung der Verbände für Mindesthonorare, wenn man schon Zahlen nach außen gibt. Gilt für Berufsanfänger, habe ich dazugesagt und dass ich das ne gute Sache finde, wegen Altersarmut und so. Aber er fand, das müsse der Markt regeln und es sei ja ab (!) 250 und bis 750 und dann auch höher möglich. Er kenne Kollegen, die in Videocalls das Doppelte bekamen, was der Kunde ursprünglich an Budget hatte. Das liege dann an jedem selbst, wie gut man verhandeln könne, und ich dachte, dass ich auf so Angebergeschichten gerade keine Lust habe und auch nicht auf Videocalls. Und wenn man schon mit Kollegen spricht, dann mache das ja auch Sinn, nicht zu günstig zu starten, damit von vorne herein klar ist, dass es faire Honorare sind. Er meinte, es gebe aber ja auch Hobbykünstler und er wolle den gesamten Markt abdecken.
Und ich habe gesagt, dass ich halt Sorge habe, eine Flut Irgendwie-Anfragen zu bekommen, wo es nur um irgendwas für Kinder geht und ums Raushauen von Angeboten und nicht um Inhalt. Die Bedenken hat er dann zwar verstanden, mich aber trotzdem auf eine Liste gesetzt: Ich könne ja noch überlegen. Ja, habe ich gesagt und mir danach gedacht, mal schauen, wie er in zehn Jahren über sein Geschäftsmodell denkt. Aber gut, er kriegt ja immer was, wenn der Auftritt zustandekommt, nur die Kollegen müssen dann die Angebote schreiben, wenn eine solche Flut reinkommt, wie er sich das nun erhofft. Mein Bauchgefühl hat mich nicht so überzeugt, ich hatte über die letzten neunzehn Jahre aber auch schon viele Anrufe in die Richtung: Zunächst wird alles schön gefärbt. Ein bisschen wie in einer Waschmittelwerbung. Wahrscheinlich braucht der Kunde mit den drei Angeboten dann noch bis vorgestern ein Video für die Präsentation in einer Minute. Und für Insta dann ein kürzeres Reel und für irgendwas anderes auch irgendwas. Ganz schön schnellebig, dieses Zeitalter, und alle machen irgendwas, aber wozu eigentlich? Wenn man seine ganze Zeit mit Präsentation und Selbstdarstellung verbringt, kommt man ja gar nicht mehr zum Nachdenken.
Und plötzlich fiel mir ein, dass man den Firmen ja interne Tiernamen geben könnte wie in Kindergärten, damit man gleich weiß, was Sache ist und intern was zum schmunzeln hat. Habe eine Anfrage für die Immobilienfirma „Kredithaie“; oder ein lustiger Kunde, der Spaß versteht, den könnte man „Der Lachende Hans“ (Eisvogel) nennen. Oder einen anderen, der was Megainnovatives will (was auch immer das heißt) „Die Geburtshelferkröte“. Oder Kunden, die gerne viel Aufmerksamkeit haben, „Kaiserschnurrbarttamarin“. Oder wo es eher um Deko geht als um Kunst: „Die Tapezierspinne“ hat wieder eine Anfrage. Wenn ein Musiker eine Anfrage stellt: „Die wandelnde Geige“ sucht was! Wer hätte keine Probleme, ein Angebot für „Die Heiligen Pillendreher“ (das sind Käfer) zu schreiben? Oder bei weiten Anreisen: Das „Landkärtchen“ (Schmetterling) sucht mal wieder was, wer schickt was hin? Bin mir aber nicht sicher, ob die Angeberkrebse der Kulturbranche das auch so lustig fänden wie ich. Hi hi.Vielleicht eine gute Geschäftsidee für alle, die die Welt nicht ständig so bierernst nehmen können. Und ich mache jetzt zwei Wochen Pause und lasse mal alle Fünfe gerade sein. Vielleicht schwimme ich auch ne Runde mit paar Clownsfischen und amüsiere mich mit ihnen und finde das eine hervorragende (Geschäfts)idee!