Hilfsbereitschaft (12. Februar 2025)

Heute habe ich viele hilfsbereite Menschen getroffen. Auf der Hinfahrt zu meinem Spielort stand ich mit meinen Requisiten an der Rolltreppe und wartete und wartete, bis sie endlich die Richtung wechselte … Aber immer neue Leute stiegen auf die rollende Treppe und sahen mich gar nicht, weil sie auf ihr Handy schauten. Plötzlich kam ein Müllmann zu mir, stellte seinen Müllwagen neben meinen Koffer und hüpfte leichtfüßig treppauf. Oben angekommen, machte er mit seinen Armen eine Schranke und ließ niemanden mehr durch. Mit seiner Leuchtweste sah das sehr professionell aus. Ich konnte unten endlich die Rolltreppe betreten und nach oben fahren. „Danke!“, habe ich gesagt und mir gedacht, wie nett ich das finde. „Is’ selbstverständlich!“, hat er geantwortet und seine Arbeit fortgesetzt. Und ich die meine: Ich fuhr zu meinem Spielort, einer Bücherei im Westend in München.
Später, als ich dabei war, mich für den Auftritt zu schminken, klopfte es an der Tür. Eine nette Auszubildende der Bibliothek fragte, ob ich noch was brauche. Ich wollte wissen, wo die Toilette sei. Sie antwortete: „Ich zeig sie dir!“ Wir liefen eine Weile durch die Bücherei. Ich war erst halb geschminkt und dachte, dass ich bestimmt seltsam aussah. In der Erwachsenenbücherei aber beachtete mich gar niemand. Alle schauten in große Computer oder auf Smartphones. Auch wenn ich nackt gewesen wäre oder grün im Gesicht oder beides, wäre es vermutlich niemandem aufgefallen.
Später beim Auftritt schauten nur ein paar Eltern aufs Handy, die Kinder und der Rest des Publikums schaute mir vergnügt zu. Live und in Farbe. Und ich reagierte auf das Publikum. Nur ein Kind hielt ein großes Buch im Schoß und schien tief darin versunken. Erst als ich die Kinder fragte, ob sie gefährliche Meerestiere kennen, legte das Kind plötzlich das Buch weg und hielt einen Fachvortrag über Tiere. Er fing mit Haifischen an und endete mit einem T-Rex. Der Tierforscher „Bernhard Klemens Maria Hofbauer Pius Grzimek“ hätte seine wahre Freude gehabt. Die Romanfigur „Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf“ bestimmt auch.
Dann halfen mir die Kinder bei der Schatzsuche und bei den Aufgaben. Als ich wieder abgeschminkt war und meine Koffer nach draußen rollte, rief ein Vater: „Schau mal, da ist die Glucks!“ Ich lächelte. Das Mädchen sagte: „Nein Papa, die Glucks hat doch eine rote Nase!“ Und da sagte der Vater: „Ach so, ja, stimmt!“ Wir zwinkerten uns zu.
Auf meiner Rückreise, als ich mit vielen Menschen in die U-Bahn einsteigen wollte, kreischte plötzlich eine Frau in einer Leopardenjacke laut auf … Sie war so in ihr Handy vertieft gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, dass sie bereits da war, wo sie hin wollte, und versuchte gegen den Strom zu schwimmen, um noch raus zu kommen. Da war ein Gemotze und Geschimpfe zu hören. Ich habe sie durchgelassen. Als sie draußen war, lachte sie laut über ihre eigene Unaufmerksamkeit. Und kurz dachte ich, dass die Menschen sich heutzutage eigentlich nur noch online kennenlernen können, weil sie ja gar nicht mehr offline sind.
Aber zum Glück gibt es noch Kindertheater. Ohne Bildschirm. Live und in Farbe. Da braucht ihr kein Handy. Einfach da sein und zuschauen reicht. Und sonst denke ich: Die Welt ist schon ein ziemlich raues Pflaster, wo man auch mal geschubst, angeraunzt und angepflaumt wird. Vor allem, wenn man – in welcher Form auch immer – gegen den Strom schwimmt. Aber die echte Begegnung zwischen Menschen, die gibt’s halt nur live. Es sind die kleinen, feinen Augenblicke, wenn man hinschaut, sich anschaut und sich gegenseitig sieht.