Gesehen werden (6. Juni 2024)
Um den Menschen zu verstehen, muss man in meinen Augen zunächst das Kind verstehen. Ein Kind sagte mir neulich: „Wenn ich mich nicht beachtet fühle, bin ich wütend.“ Ich denke, dieses Gefühl erklärt bis ins hohe Erwachsenenalter den Zorn auf der Welt, der ja auch auf emotionaler Ebene verständlich ist. Und viele elementare Bedürfnisse der Menschen auf dieser Erde, etwa genug zu essen zu haben und ein Leben in Frieden und Würde führen zu können, werden überhaupt nicht gesehen. Leider.
Im Umkehrschluss heißt das jedoch: Wenn wir uns „gesehen“ fühlen, fühlen wir uns glücklicher. Meine Humorforschung in Bezug auf Kinder geht genau in diese Richtung. Ich möchte, daß sich mein Publikum als Teil der Geschichte, die ich spiele, gesehen fühlt. Lacht, sich empört und es während der Vorstellung auch mal „besser wissen“ darf. Das unterscheidet meine Arbeit von der Pädagogik. Diese will Kinder belehren, formen und prägen. In dem Wort „erziehen“ steckt ja das Wort ziehen. Ich möchte das nicht. Ich möchte, daß mein Publikum sich frei fühlt, einfach „sein“ darf. Dasein in allem, was es ausmacht. Das gelingt nicht immer, aber wenn es gelingt, ist es schön.