Magere Zeiten (5. Januar 2024)

Jetzt wache ich aus meinem Winterschlaf auf, fühle mich voller Tatendrang, und was muss ich in der Tram auf dem Infoscreen lesen? „Oberbürgermeisterin Weber schwört Augsburger auf magere Zeiten ein.“ Wie? Was heißt das jetzt? Nur noch Wasser und Brot in der Wasser-Welterbe-Stadt? Und das nachdem die letzten Jahre echt fett waren, oder was?! Guter Witz.

Ich suche den kompletten Artikel online in der Augsburger Allgemeinen. Da steht: Es wird härter werden. Die Situation werde dadurch verschärft, dass die Anforderungen im sozialen Bereich, etwa in der Kinderbetreuung, steigen. Irgendwas mit Doppelhaushalt, und wir müssten schauen, wofür Geld da ist … Mehr kann man ich leider nicht entziffern, weil der Text hinter einer Bezahlschranke verschwimmt … Was da wohl noch steht?Vielleicht dürfen hinter der Bezahlschranke ja stolze Erstklässler ihre ersten geschriebenen Sätze veröffentlichen: „Das Gelt ist ale aba main Taschengelt mag ich trotsdem haben“, oder es steht dort einfach nur: xcdhztrdhjtt. Wieso auch nicht? Die Leute geben viel Geld für unsinnige Sachen aus, warum also nicht für Buchstabensalat?

Hier in Augsburg zum Beispiel wird gerne Geld für Beton ausgegeben. Es gab sogar mal einen Bürgermeister, der hat Spuren von Beton in der ganzen Stadt hinterlassen. Ein Betonerbe sozusagen. Gribl hieß er, von mir auch Bob, der Baumeister genannt. Und damit sollten doch eigentlich die Einnahmen sprudeln – durch Gewerbe, die sich ansiedeln. Eine große „Und jetzt kommst du!“-Kampagne wurde angeleiert, damit aus dem Umland die Leute mit den SUVs (auch so etwas Unsinniges, für das Leute viel Geld ausgeben) in die Stadt kommen und shoppen gehen … und jetzt haben die kein Geld dagelassen oder was? Auch die Fugger geben der Stadt in Geldnot wohl nichts von ihren Geldnoten ab. So wird man ja bekanntlich reich. Oder die Regierung war nicht fromm, fleißig und zu rechter Stunde im Bett, wie das die Bewohner der Fuggerei wohl auch heute noch müssen: Wer abends zu spät heimkommt, muss eine Geldbuße entrichten.

Weitergebaut wird in Augsburg derweil unermüdlich - die Betonbranche brummt, und irgendwann, womöglich im Jahre 2030, wird sogar die teuerste Dauerbaustelle des Staatstheaters fertig sein. Das große Haus. Wurde bis 2016 noch bespielt. Dann kam jemand, vermutlich Feuerwehrmann Sam, um die Ecke und sagte: „Das Theater muss wegen Brandschutzmängeln geschlossen und saniert werden!“ Da haben sich seine Kumpels in der Baubranche aber gefreut! Und nun entsteht also bis circa 2030 ein „Kulturzentrum für alle“, wie die Süddeutsche schreibt. Ein ziemlich teures Kulturzentrum, das deshalb immer weniger Menschen in der Stadt haben wollen. Um dagegenzusteuern, macht man nun Werbung für die Baustelle: „Bonzenbühne?“ steht auf riesigen Plakaten, „Was für ein Theater“ und „Piepen für Eliten“, neben weiteren Sprüchen im gleichen Sinn. Das Design wurde wohl von einer anderen Agentur übernommen, weswegen es auch schon Ärger gibt.

O ja, o je, denkt sich jemand wie ich, die noch Plakate selbst beschriftet, öfters wiederverwendet, manchmal auch selbst aufhängt und tatsächlich ebenfalls in einem Kulturzentrum in Augsburg spielt. Es ist ja nicht so, dass es hier keine Kulturzentren gäbe, so wie irgendwo auf dem Land, wo tatsächlich ein Mangel an solchen Einrichtungen herrscht!

Auch das Staatstheater verfügt, wie ich auf seiner Website lesen kann, derzeit über fünf Spielstätten – und ich denke: auch über ein ziemlich großes Werbebudget. Sogar eine ganze Tram ist mit Werbung des Staatstheater beschriftet … Na ja, eigentlich wollte ich im neuen Jahr bei der Stadt mal anfragen, ob ich nicht auch ein kleines bisschen Geld haben könnte für meine Plakate, die schließlich auch irgendwer designen, drucken und aufhängen muss. Und die ich derzeit aus meiner eigenen Tasche bezahle, wenn ich in Augsburg spiele. Aber jetzt gibt’s ja keine Knete mehr. Mist. Das Motto lautet also: Do it yourself oder lass es. Aber gut, die sogenannte Hochkultur braucht die Piepen eben dringender. Diese Kröten müssen wir schlucken. Wurde ja vom Stadtrat so beschlossen. Das Staatstheater braucht Geld für Werbung, Geld für seine Baustelle und Geld für Werbung für seine Baustelle!

2030 wird dann das große Haus vielleicht fertig saniert sein, und dann gibt es als Geschenk endlich das Kulturzentrum für alle! In jedem Fall haben sich vorher schon mal alle Steuerzahler daran beteiligt. Ich vermute jedoch: Es wird eher ein Kulturzentrum für wenige – aber sicher eines für die oben zitierte Zeitung mit der Bezahlschranke; die sitzt nämlich im Stiftungsrat des Staatstheaters. Ist ja durchaus praktisch, wenn ein Theater einen guten Draht zur Zeitung hat, dann wird nämlich stets positiv berichtet. Der Presseball und andere elitäre Veranstaltungen können auf der „Bonzenbühne“ stattfinden. Zudem spart man sich die weite Anreise von knapp zwei Kilometern in den Kongress am Park. Man will es ja bequem haben, wenn man ausgeht.

Und alle anderen? Die können sich die teuren Tickets fürs sanierte Theater vermutlich eh nicht leisten. Aber sie dürfen Tram fahren und dabei die Überschrift der Zeitung in Dauerschleife auf dem Infoscreen lesen. Und vielleicht eines Tages sogar die teuerste Wendeschleife ever unter dem Augsburger Hauptbahnhof benutzen – wenn die jemals fertiggebaut wird. Yeah! Das wird besser als jedes Fahrgeschäft beim Plärrer. Mehr ist für den gewöhnlichen Datschiburger jedoch leider nicht drin. Der Rest der Stadt bleibt hinter der Bezahlschranke verborgen.

Und was mache ich? Wo ich schon mal da bin in einer Stadt, die pleite ist? Sachen packen und abreisen – wo man jetzt endlich wieder Gepäck mitnehmen kann am teilsanierten Augsburger Bahnhof, der neuerdings sogar Rolltreppen hat, die manchmal sogar laufen? Mich um das restliche Kleingeld im Haifischbecken der „Ich brauche auch dringend etwas Kohle!“-Schreier streiten? Ne, ist mir zu blöd. Einfach weitermachen und weiterspielen wie bisher und hoffen, dass genügend Publikum kommt, auch ohne Plakate, so wie ich es schon letztes Jahr einige Male gemacht habe? Und parallel dazu auf genug andere Auftritte mit fairen Gagen hoffen?

Oder einfach in die Baubranche gehen? Schleppen kann ich. Aber vermutlich habe ich da den richtigen Zeitpunkt verpasst. Mist, die fetten Jahre sind vorbei! Aber vielleicht gibt’s ja irgendwo in der Stadt noch eine Schlafbaustelle – da bewerbe ich mich, und dann schlafe ich einfach weiter und träume von einer friedlichen Welt ohne Bezahlschranken, von genug Unterstützung für meine Arbeit und Taschengeld für alle.

 
Zurück | Seite neu laden | Lesezeichen einfügen | Drucken | Link emailen
^
Close MenuCLOWNESS Theater